Zugeben
als unsere Ableger klein waren, war es ein Leichtes sie zu begeistern!
Outdoor-Aktivitäten, Ausflüge in die Berge, Touren mit dem Mountain-Bike -
egal. Solange das Maß passte, es etwas zu entdecken gab, ein Abenteuer lockte
oder es irgendwo auch Wasser und eine Einkehr oder ein Picknick gab, waren alle
glücklich. Dann brachen Zeiten des Umbruchs heran und unsereins musste sich
schwer etwas einfallen lassen, um die Teenies zum Mitgehen zu überzeugen.
Wandern war soooooo langweilig und absolut uncool. Nur widerwillig, missmutig
und mit hängenden Mundwinkeln trotten sie hinterdrein oder düsten für uns
uneinholbar voraus. Uns Alten haben sie mit diesen Extremen und der
personifizierten Lustlosigkeit oftmals den Tag verdorben. Zumindest haben sie
uns damit die gute Laune und die Freude an unserer Unternehmung sehr getrübt.
Das vorläufige Ende der Geschichte hieß dann, die Jugend bleibt daheim und geht
ihre eigenen Wege, während die Eltern alleine in die Natur hinaus losziehen.
Das Aus für die gemeinsamen Unternehmungen mit der Familie? Das hatten wir uns
anders gewünscht…
Doch
hier wie überall hat alles im Leben seine Zeit. Und auch wenn uns Erzeugern
dabei oft zum Heulen zumute ist, hilft Gelassenheit und Humor.
Unsere vielen Aktivitäten rund um die Bewegung in der Natur, als die Kinder klein waren, scheinen ihre Spuren hinterlassen zu haben. Mittlerweile ist bei unseren Jungen Wandern hip und wieder cool. Die Lust draußen in der Natur zu sein und in den Bergen unterwegs zu sein, ist zurückgekehrt. Wandern hat das verstaubte Image abgelegt und ist nicht mehr nur für alte Leute! Allerdings stehen dabei heute vor allem die Erlebnisse mit Freunden im Vordergrund. Gemeinsam Sonne, Wind, Kälte, Steigungen, Hunger und Durst fühlen, miteinander Hindernisse bewältigen, Erfolgserlebnisse, Ausblicke und eine Brotzeit teilen, die Berge, die Natur und den Himmel über uns erleben, schließlich gemeinsam heimkehren…
In diesem Sommer bin ich daher ganz aus dem Häuschen. Ich werde gefragt, ob ich die Jugend in die Berge begleiten möchte! Ich freue mich wie Bolle auf die gemeinsamen Touren und besonders darüber, dass ich das Vertrauen genieße und überhaupt dabei sein darf. Die Jungen wollen sich auf Anstrengendes einlassen und das Sofa in der bekannten Komfortzone verlassen, um ihr "Wohnzimmer" zu erweitern.
Die Schulferien sind ein paar Tage alt, der Sommer ist sowieso der Hammer, das Bergwetter ist perfekt. Am Abend zuvor wird eine Ausrüstungs- und Packliste über den üblichen Messenger verteilt. Die Tour ist geplant und für die Gewohnheiten der jungen Leute brechen wir sehr früh morgens ins Kleinwalsertal auf.
Unser Gipfelziel, die Walser Hammerspitze, ist von der Bergstation der Kanzelwandbahn in einer relativ kurzen, aber anspruchsvollen Bergtour über einen Gratweg zu erreichen. Der Gratweg ist meist erkennbar, aber nicht durchgängig markiert. Er ist auf kurzen Stücken ausgesetzt und bietet einige, nicht ausgesetzte und ungesicherte Kletterpassagen. Trittsicherheit und etwas Erfahrung sind nötig.
Der Abenteuerfaktor ist gut dosiert. Sicher und mit viel Spaß an der Kletterei erreichen wir die Walser Hammerspitze und freuen uns über den wunderbaren Rundumblick.
Wer kennt all die umliegenden Gipfel?
Selbstredend
geben die Rucksäcke einiges her und so lassen wir es uns bei einem
reichhaltigen Berg-Picknick unter freiem Himmel schmecken.
Die fordernde Fortsetzung der Bergtour weiter über die Hochgehrenspitze und die
Oberstdorfer Hammerspitze sparen wir uns für eine neue Unternehmung auf. Wir steigen
vielmehr auf einem normalen Wanderweg zur Wannenalpe und weiter zur Inneren
Kuhgehrenalpe ab.
Über die Kuhgehrenspitze kehren wir gut gelaunt und zufrieden zur Bergstation der Kanzelwand zurück. Bereits auf halbem Rückweg ist klar, das war nicht die letzte Tour. Und zurück am Auto im Tal kann ich es kaum fassen: die nächste Wanderung ist fest verabredet. Vorbereitung und Planung laufen ...
Schon lang bevor sich die ersten Gruppen der Bergschulen an den Startpunkt der Alpenüberquerung auf dem E5 von Oberstdorf nach Meran begeben, radeln wir mit dem Bike vom Parkplatz in Oberstdorf in die Spielmannsau. Ab dem Talschluss der Trettach geht es zu Fuß durch den Speerbachtobel hinauf zur Kemptner Hütte.
Auf der Kemptner Hütte ist es daher noch ruhig, als wir ankommen. Wir nutzen die Zeit mit Tochter, Schwester, Freundin und …- quatschen. Wir genießen die Sonne, den Tag und lassen die Seele baumeln.
Später füllen sich die Plätze auf der Terrasse und wir machen uns mit kleinem Gepäck an den Aufstieg auf den Hausberg der Kemptner Hütte, den Muttlerkopf. Zunächst wandern wir von der Hütte über einen guten Steig ins östliche Mädelejoch hinauf bis der Weg links abzweigt und der mächtige Große Krottenkopf ins Blickfeld gerät. Unterwegs können wir zahlreiche Murmeltiere mit ihren Jungen beobachten. Die Bergmäuse sind neugierig, pfeifen und huschen umher. Ein herrliches Erlebnis.
... und staunen einmal mehr.
Hier oben ist alles ganz einfach: locker bleiben, tief einatmen und ausatmen. Chill mal!
Später kehren wir zurück zur Kemptner
Hütte.
Die Jungen beziehen ihre Lagerplätze und freuen sich auf ein gutes Abendessen.
Sie werden die Nacht auf der Hütte verbringen, erst am nächsten Tag nach
Oberstdorf zurückkehren und dann mit der Bahn nach Hause fahren.
Gut so. Ich muss nicht überall dabei sein. Freude und Begeisterung sind da. Weitere
Touren und Unternehmungen vorstellbar. Ein Anfang ist gemacht.
Ich mache mich also allein auf den Weg ins Tal, radle nach Oberstdorf und komme
nach einem langen Tag spät und zufrieden zurück nach Hause.
Ganz
anders verhalten sich die Dinge mit der Tochter. Sie geht auf Skitour,
bergwandert und klettert schon seit vielen Jahren. She already is on fire.
Hier muss ich nicht als Ideengeber oder Motivator auftreten. Im Gegenteil, ich
muss sehen, dass ich nicht abgehängt werde…
Spaß beiseite, wir teilen die Leidenschaft draußen in den Bergen unterwegs zu sein, die Kombination aus Naturgenuss und Sport. Dann und wann gehen wir also gemeinsam auf Tour.
Im September bietet sich dazu noch einmal eine schöne Gelegenheit und so machen wir uns kurzer Hand auf den Weg nach Grän im Tannheimer Tal. Wir entscheiden uns für die aussichtsreiche Klettersteig-Tour vom Füssener Jöchle über den Schartschrofen zur Roten Flüh und wieder zurück.
An der Bergstation der Sonnenbergbahn am Füssener Jöchle starten wir unsere Wanderung recht gemütlich in Richtung Schartschorfen. Hier beginnt dann das Herzstück unserer Tour: der kleine, aber feine Friedberger Klettersteig.
Der Hauptteil des Friedberger Klettersteigs befindet sich zwischen Schartschrofen und der etwa 100 m tiefer gelegenen Gelben Scharte. Das bedeutet zunächst Abklettern! Dabei kann man immer wieder tolle Tiefblicke genießen und man hat den leuchtend grünen Haldensee dabei nahezu den gesamten Verlauf des Steigs im Blick.
Von der Scharte aus
geht es, meist ungesichert, auf
einem Höhenweg-ähnlichen Pfad weiter zum Gipfel der Roten Flüh. Nur an wenigen
Stellen sind Sicherungsseile angebracht.
Erst im letzten Anstieg geht es erneut in einer Klettereinlage über in den Fels
geschlagene Klammern, allerdings ohne
Sicherungsseil, etwa 10 m senkrecht nach oben. Die letzten, folgenden
Serpentinen führen in abschüssigem Gelände steil nach oben zum Gipfelkreuz.
Die Rote Flüh ist einen herrlicher Logenplatz, um den wunderbaren
Panoramablick zu genießen und um die Kletterer auf dem gegenüberliegenden
Gimpel zu bewundern.
Wir machen Brotzeit und tanken Sonne. Bergziegen unter sich.
Und weil es grad so schön ist, entscheiden wir einfach auf demselben Weg zurück zu kehren. Der Weg bis zur Gelben Scharte ist schnell gemeistert, die neue Blickrichtung dafür umso reizvoller. Der Aufstieg zum Schartschrofen ist ein Genuss.
Erneut am Schartschrofen angekommen schlagen wir den weiteren Rückweg über die Läuferspitze ein. Auf dem Gipfel kosten wir letzte Blicke ins Tannheimer Tal aus und beenden unsere gelungene Mutter-Tochter-Tour auf ausgesetztem Grat in Richtung Füssener Jöchle.
In diesem Sinne wünsche ich allen Eltern, die ihren Sprösslingen die Begeisterung für das Draußensein in den Bergen mit auf den Weg geben wollen: „Gelassenheit! Es kommt der Tag, an dem das Kind kein Kind mehr ist und die Lust auf den Berg zurückkehrt.“
Eure Katja Wehr