Klettersteiggehen
ist eine intensive Begegnung mit Berg und Natur. Vie ferrate nehmen uns mit in
die Welt der Kletterer. Der Abgrund und die Tiefe sind stets präsent. Die
Vertikale ist nicht länger tabu. Die Luft unter den Sohlen ist deutlich spürbar und die neue Perspektive auf
die Landschaft ist ein echtes Erlebnis. Die Eisenwege führen uns über
exponierte Brücken, ausgesetzte Grate, senkrechte Wände und verborgene
Schluchten – oft über unglaubliche Linien, um den Spaß an der Bewegung zu
erhöhen. All das begeistert, macht süchtig und fasziniert – ein Hochgefühl!
„Am fix installierten Stahlseil mit
einem Klettersteigset gesichert kann nicht viel schief gehen“, glauben viele
Klettersteiggeher. Grundsätzlich haben sie dabei nicht Unrecht, und dennoch:
Das Begehen der Steige ist nicht zu unterschätzen.
Fehler haben fatale Folgen. Not- und Unfälle passieren immer wieder.
Eine solide Grundausbildung ist also neben einer
guten Ausrüstung und körperlichen Leistungsfähigkeit absolut ratsam.
Klettersteiggehen kann man leicht erlernen. Die
Kosten für einen Einführungskurs sind gering und der Mehrwert ist für jeden Klettersteig-Neuling
unbezahlbar. Empfehlenswerte Kurse bieten Alpinschulen und auch der Deutsche
Alpenverein an. Gut ausgebildet kann jeder das Erlebnis Klettersteig in vollen
Zügen und bei wenig Risiko genießen.
Gemeinsam mit Freunden habe ich einen solchen Einsteigerkurs
des DAV der Sektion Allgäu-Kempten gebucht. Acht ambitionierte Bergwanderer, in
weiten Teilen bislang ohne jede Klettersteigerfahrung, haben sich da auf den
Weg ins Ötztal gemacht.
Ein bomben Wochenende mit vier Klettersteigen!!!!
Wunderbar ... so viel Sonne ... so viel Freude ...
so viel erlebt.
Mit einem gemütlichen Spaziergang hat
Klettersteiggehen sicher nichts zu tun. Immerhin das ist allen Teilnehmern und
Teilnehmerinnen unserer Gruppe klar. Bei
absolutem Kaiserwetter starten wir am Freitagmittag bestens gelaunt direkt
vom Treffpunkt in Kempten Richtung Sölden im Ötztal bis zum
Moosalm-Klettersteig durch. Hier begrüßen uns zunächst Gisela als Leitung und Ihr Helfer André ordentlich zum Klettersteigkurs, bevor es in medias res geht! Gisela
erklärt ausführlich die komplette
Klettersteigausrüstung und deren Handhabung samt Verwendung der Rastschlinge.
Sorgfältig legen wir die Ausrüstung an, überprüfen uns gegenseitig beim
Partnercheck und üben zunächst an einem
Teilstück des Steigs das korrekte Umhängen der Karabiner, den sicheren
Überholvorgang sowie den Einsatz der Rastschlinge.
Gut vorbereitet wagen wir
uns an die Begehung des kompletten
Moosalm-Steigs. Und schon bald ist klar, an diesem Wochenende warten noch
zahlreiche Herausforderungen auf einzelne unserer Klettersteig-Neulinge!
Glücklich, mit leuchtenden Augen und mit gehörigem Appetit fahren wir direkt in eine Pizzeria in Längenfeld. Auf der Terrasse genießen wir die letzten Sonnenstahlen, das wohlverdiente, gute Essen und unsere gesellige Runde. Erst danach, frisch gestärkt, beziehen wir unsere Zimmer im gemütlichen „Gästeheim Anna“ nur wenige Kilometer entfernt in Huben. Doch der Tag ist noch nicht zu Ende. Wir treffen uns im Aufenthaltsraum, schauen die ersten Fotos vom Nachmittag an und absolvieren den theoretischen Teil des Kurses. In Kombination mit dem bereits Erlebten sind Giselas Informationen und Lehrinhalte zu Grundlagen und Sicherheit beim Klettersteiggehen, Ausrüstung und den verschieden Steigklassifizierungen interessant, einleuchtend und darüber hinaus eine hervorragende Wiederholung, damit sich das neue Wissen wie selbstverständlich einprägen kann.
Am Samstag lacht die Sonne vom wolkenlos blauen Himmel. Ein
Traumtag steht bevor. Was haben wir für ein Glück!
Nach reichhaltigem Frühstück machen wir uns auf den Weg zum Obergurgler
Zirbenwald Klettersteig. Vorbei an wunderbar blühenden Alpenrosen gelangen wir
zum spektakulären Einstieg des Klettersteigs.
Auf der langen Hängebrücke, 30 m über der Ötztaler Ache, bekommen wir das erste Mal so richtig Luft unter die Sohlen. Weiter führt uns der Steig abwechslungsreich und toll angelegt durch die Felsen.
Ausgesetzte Passagen, aufregende Tiefblicke und Seilbrücken sowie
zwei C-Stellen fordern uns schon eine ordentliche Kletterleistung ab, doch Dank
Giselas Unterstützung und Anleitung erreichen alle problemlos den Ausstieg.
Unsere Anstrengungen werden mit einem fantastischen Rundblick über die Obergurgler Alpen
belohnt.
Nach einer kurzen Rast begeben wir uns an den Abstieg und treffen dabei sogar auf ein dickes Murmeltier in nächster Nähe. Die pfiffige Bergmaus bedeutet doch das Ende einer ersten Klettersteigbegehung bei perfekten Bedingungen für uns.
Zurück an den Autos machen wir uns gleich auf den Weg zum
Jubiläumsklettersteig Lehner Wasserfall. Hier angekommen stärken wir uns mit
einer Brotzeit und machen uns anschließend auf zum eindrucksvollen Einstieg in
den Steig. 20 Meter geht es fast senkrecht die Wand auf eine Kanzel hinauf-
eine erste Herausforderung, die etwas Kondition und (Arm)-kraft erfordert.
Weiter bleibt die Route interessant, mal steil und dann am Quergang abwechslungsreich ausgesetzt. Immer über dem
Lehnbach und meist den Wasserfall vor Augen klettern wir weiter nach oben. Für
den einen ist es eine herrlich luftige Kraxelei und für den nächsten im Team
eine permanente Herausforderung und Selbstüberwindung. Doch wer sich schwer
tut, wird souverän von Gisela über schwere Tritte, Krampen, Seile und luftige
Gänge gelotst und ermutigt.
Kurz vor dem Finale des Klettersteigs wartet noch eine mit Schwierigkeit „D/E“ bewertete, optionale Schlüsselstelle. Zusätzlich von oben seilversichert meistern zwei von uns Klettersteiggehern den kurzen, aber knackigen Überhang unerschrocken.
Der Rest der Truppe wählt eine einfache
Variante zur exponierten Einseilbrücke über den tosenden Lehner Wasserfall. Die
Querung ist für alle ein Hochgenuss: dabei den Blick auf die donnernden
Wassermassen oder auf die wunderbare Aussicht ins Tal.
Nach diesem prächtigen und erlebnisreichen Tag kehren wir in Längenfeld zu Kaffee und Eis ein, bevor wir im „Gästeheim Anna“ unter die Dusche huschen und uns dann zu unserem hart erkletterten Abendessen im „Hotel Alpenblick“ gleich über die Straße aufmachen. Hier genießen wir einen herzerfrischend lustigen Abend. Zum Abschluss des Tages werfen wir im Aufenthaltsraum erneut noch einen Blick auf die gemachten Fotos und sind fast fassungslos über die Passagen, die wir bewältigt haben. Müde und glücklich fallen wir in unsere Betten.
Sonntag –
another perfect day! Wow!
Alles passt. Die Stimmung ist prächtig. Wir frühstücken, packen und
checken zeitig aus, damit wir möglichst früh zum Stuibenfall-Klettertseig in
Umhausen kommen. Bereits der Zustieg über den Arzwinkler Waalweg zaubert allen
ein Lächeln ins Gesicht.
Den Start in den Steig mit der Überquerung des Horlachbachs über eine schwankende Einseilbrücke absolvieren wir mittlerweile problemlos. Zunächst geht es darauf gemächlich im Wald voran.
Später führt der Steig direkt unter eine Wand und das Kletterabenteuer beginnt immer entlang der Felswand bis zu einem Rastplatz.
Bislang schauen wir talwärts, doch zum großen Finale unseres Steigs schauen wir nun auf die tosenden Wassermassen des Stuibenfalls – Tirols höchste Wasserkaskade mit 159 Metern Fallhöhe. Beeindruckend, laut und wunderschön.
Senkrecht klettern wir unter eine Aussichtsplattform und biegen zur Seilbrücke über der Absturzkante des Wasserfalls ab. Wir steigen über das Drahtseil und fühlen uns wie Artisten.
Es ist unglaublich und ein absolut beeindruckendes Erlebnis. Die Mannschaft strahlt und ausgelassen tänzeln wir über die unzähligen Treppenstufen, die Plattformen und die Hängebrücke des normalen Wanderwegs zurück zum Parkplatz.
Bei einer letzten gemeinsamen Brotzeit ziehen wir Resümee und lassen den Klettersteigkurs ausklingen. Wir sind restlos begeistert, ein super Kurs, ein bomben Wochenende. Wir sind infiziert vom Virus Via Ferrata, und dabei fühlen wir uns für weitere Klettersteigerlebnisse gut vorbereitet. Super viel Spaß und wenig Risiko. Wie gut, dass sich der Himmel langsam zuzieht und auch alle pünktlich zum Anpfiff des Auftaktspiels der Deutschen bei der Fußball WM zu Hause sein wollen – vermutlich säßen wir sonst noch immer zusammen in der Kneippanlage am Parkplatz…
Liebe Ferratisti, in diesem Sinne wünsche ich Euch, dass Ihr das Erlebnis Klettersteiggehen immer in vollen Zügen genießen könnt!
Eure Katja Wehr